oder die Entfremdung von unserer Natur
Du denkst vielleicht, du bist natürlich, denn schließlich bist du ja keine künstliche Intelligenz.
Aber – was heißt „natürlich sein“?
Einfach gesagt: Natürlich sein bedeutet, sich der eigenen Natur entsprechend zu verhalten.
Doch, kennst du deine eigene Natur?
Die heutige Gesellschaft verhält sich unnatürlich.
Eigentlich ist es doch so, dass wir in den zivilisierten Kulturen den Zugang und die Kenntnis unserer Natur weitgehend verlernt haben. Wir werden nach kulturell-sozialen Gesichtspunkten erzogen, und diese sind vor allem darauf ausgerichtet, in der Gesellschaft akzeptiert zu sein.
So ist es denn geschehen, dass eigentlich fast alles diesen Gesichtspunkten unterliegt. Unsere Ernährung, unsere Kleidung, die Schul- und Ausbildung sowie die tägliche Arbeit und unser Verhalten sind diesen Maßstäben zum Opfer gefallen. Wir lassen uns manipulieren.
Am Auffälligsten ist das im Umgang mit unseren Gefühlen.
Erlaubst du dir, deine Gefühle wahrzunehmen?
Traust du dich, deinen Tränen freien Lauf zu lassen, wenn du unter Leuten bist? Zum Beispiel am Arbeitsplatz?
Traust du dich, dort in lautes Lachen auszubrechen oder laut zu schimpfen, wenn du zornig bist?
Oder ist es eher so, dass du dir angewöhnt hast, deine Gefühle hinter einem gefälligen Lächeln zu verstecken? Es wirkt doch freundlich, selbst wenn nur der Mund lächelt.
„Beschwichtigen, kontrollieren, sich zusammennehmen“, lautet die Devise.
Traust du dich, deinem Chef oder deiner Chefin zu widersprechen, oder schluckst du deine Ansicht brav hinunter, auch wenn sie dir im Hals stecken bleibt? Daher ja wohl auch der Ausspruch: „Ich habe so einen dicken Hals.“
Wenn du dich traust, zu dir zu stehen, lebst du ziemlich authentisch, also natürlich.
Wenn nicht, dann haben die Umwelt, die Schule und das Elternhaus erfolgreich einen „gefälligen Menschen“ herangezüchtet. Das ist ja eigentlich nicht schlimm, wäre da nicht in dir das Rumoren von allem, was du unterdrückst.
Was geschieht denn mit diesen unterdrückten Gefühlen?
Sie führen ihr Eigenleben. Sie verschwinden nicht, wenn wir sie unterdrücken.
Gefühle sind uns von Natur aus gegeben. Es gibt keine schlechten und keine guten Gefühle. Sie sind lediglich eine Reaktion auf das, was wir erleben, und zeigen uns, was wir brauchen. Aus den Gefühlen, also der Körper-Geist-Wahrnehmung heraus, entstehen Bedürfnisse. Werden diese nicht gestillt, entsteht ein Mangel, ein Ungleichgewicht, und das äußert sich letztlich in Krankheit.
Echte und scheinbare Bedürfnisse.
Da wir aber verlernt haben, unsere Gefühle und echten Bedürfnisse wahrzunehmen, erschaffen wir Scheinbedürfnisse und geraten mehr und mehr ins Ungleichgewicht. Kein Wunder also, dass unsere heutige Gesellschaft, egal in welcher Kultur, krank geworden ist. Krank im Geist, krank auch im Körper.
Das ist nicht natürlich.
Nimm folgendes Beispiel:
Du arbeitest in einem Betrieb, in welchem es, wie fast überall, schnell gehen muss. Oft bekommst du mehr Arbeit zugewiesen, als du in der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erledigen könntest. Du bist angespannt. Zeit für eine erholsame Pause gibt es kaum, obwohl du sie dringend brauchst. Ständige Anspannung führt zu körperlichem und geistigem Stress, du wirst also müde und gereizt. Falls es dann doch mal eine Pause gibt, dann trinkst du vermutlich Kaffee, um wieder Energie zu bekommen, oder du hörst dir die Geschichten deiner Mitarbeiter an oder checkst etwas auf deinem Handy. Du bist also weiterhin beschäftigt und gibst dich freundlich. Wie fühlst du dich wirklich?
Dein natürliches Bedürfnis wäre jetzt Ruhe. Auch wenn es nur für wenige Minuten wäre.
Ruhe. Augen schließen, den Atem spüren, entspannen.
Aber das zu tun, wagst du nicht am Arbeitsplatz. Man könnte über dich lächeln und sich lustig machen. Stattdessen hältst du deinen Atem flach.
Das ist nicht natürlich.
Flacher, minimaler Atem hilft, die Gefühle zu unterdrücken.
Aber das weißt du nicht. Du hast verlernt, zu spüren, dass tiefes Atmen entspannt und gleichzeitig Gefühle an die Oberfläche bringt. Und du willst das nicht zulassen, denn das wäre peinlich.
Und wenn nun dein Vorgesetzter noch mit neuen Aufträgen an dich herantritt und du eigentlich sagen möchtest: „Halt, stopp, ich kann das heute nicht mehr erledigen, es ist zu viel!“, sagst du: „Ok, mach ich.“ Warum? Weil sonst dein Vorgesetzter nicht zufrieden ist mit dir, und das könnte schließlich zur Entlassung führen. Aber innerlich kochst du. Du fühlst dich überfordert, nicht ernst genommen, ausgenutzt.
Wer sauer ist, hat seine Wut verdrängt.
Was wäre jetzt dein natürliches Bedürfnis? Deine Wut zu spüren. Sie auszudrücken! Wut ist ein natürliches Gefühl, das uns schützt vor Angriffen, auch vor Überforderung. Aber du schluckst sie runter, wo sie sauer wird. Ja, Wut kann sauer werden, und das wirkt wie Gift.
Das ist nicht natürlich.
Hörst du auf deinen Körper?
Wenn dann die Arbeitszeit endlich vorbei ist, bist du hungrig und müde. Vielleicht musst du jetzt noch einkaufen. Was soll ich essen, fragst du dich? Ach, irgendetwas, das schnell geht. Aber eigentlich weiß dein Körper, welche Nahrung du jetzt brauchst. Doch nimmst du dir Zeit, darauf zu achten? Oder greifst du lieber schnell zu einer Ersatzbefriedigung wie Süßigkeiten, Snacks, Rauchen, Alkohol oder Ähnlichem? Diese stillt zwar deine momentane Lust, aber sie gibt dir nicht das, was du wirklich brauchst.
Es kann auch sein, dass du nach strikten Ideen oder Diäten lebst, wie zum Beispiel vegan. Du glaubst, das sei sehr gesund und gut für die Umwelt, weil man das halt überall gepredigt bekommt. Aber hast du dich schon einmal gefragt, ob es wirklich den Bedürfnissen deines Körpers entspricht? In den meisten Fällen entstehen solche Entscheidungen aus theoretischen Überlegungen heraus und nicht aus dem natürlichen körperlichen Bedürfnis. Und, wie vielfach zu beobachten ist, können mehr oder weniger Mangelerscheinungen entstehen, die wiederum mit Nahrungsergänzungsmitteln gedeckt werden müssen. Ganz abgesehen davon fällt auch das Ökosystem aus dem Gleichgewicht.
Das ist nicht natürlich.
Aber das weißt du wahrscheinlich nicht. Weil du verlernt hast, mit deinem Körper zu kommunizieren. Weil du das Bedürfnis nach einem bestimmten Lebensmittel ignorierst, wenn es nicht deiner Ideologie entspricht.
Genauso verhält es sich mit den Essenszeiten. Die meisten Leute essen, weil es dem Tagesplan entspricht. Sie essen auch dann, selbst wenn sie keinen Hunger haben, oder sie essen nicht, wenn sie tatsächlich Hunger haben.
Das ist nicht natürlich.
Wie entspannst du dich?
Dem genannten Beispiel folgend sehnst du dich nach dem Wochenende, hoffst auf Entspannung, Spaß und Auftanken. Wie verbringst du dann diese wertvolle „Frei-Zeit“? Genießt du sie, um spontan deinen Impulsen zu folgen? Gönnst du dir Entspannung und Freude? Oder stürzt du dich in Aktivitäten? Alles das, was während der Woche keinen Platz gehabt hat, sollte nun in ein Wochenende hineingequetscht werden. Ganz im Stil von „zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“.
Ähnlich verhält es sich vermutlich mit dem Urlaub. Damit Körper und Geist ja nicht zur Ruhe kommen, suchst du auch da „Aktivurlaub“, brauchst angeblich den „Adrenalin-Kick“. Es gibt kein Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung, es muss ständig „etwas laufen“. Die Anspannung dominiert, wird zur Gewohnheit. Das ist Stress.
Das ist nicht natürlich.
Dieses in einem sich schnell drehenden Rad verlaufende Leben fordert also ständig dein Handeln, sowohl körperlich als auch im Denken. Nur in wenigen Fällen arbeitet jemand aus Freude heraus, meistens verrichtet man einen Job, den man eben bekommt und der womöglich gut bezahlt ist.
Deine Grundgefühle wie Trauer, Wut, Angst, Schmerz und Freude nimmst du nur noch reduziert wahr. Längst hast du gelernt, ihren ungehemmten Ausdruck zu kontrollieren und sie für die Mitmenschen in angeblich annehmbarem Maß zu erlauben. Oder du verneinst sie sogar. Weil Gefühle „lästig“ sind. Sie legen offen, wie du empfindest, und dadurch machen sie dich verletzlich.
Diese unbewusste Kontrolle lässt die Menschen nach außen hin fade, einheitlich, blass und krank wirken. Und weil sie auch das verbergen möchten, stürzen sie sich in alle möglichen Arten von Suchtverhalten. Das ist nicht natürlich.
Aber das weißt du wahrscheinlich nicht.
Ablehnung dessen, was du bist.
Vielleicht hast du, wie so viele andere, keine Ahnung, wer du wirklich bist. Du orientierst dich nach Vorbildern und Meinungen anderer Leute und versuchst, dein eigenes Wesen diesen anzugleichen. Dabei entstehen Vorstellungen darüber, wie du sein solltest, und nicht, wie du bist. Du versuchst, diesen Vorstellungen gerecht zu werden. Aber das ist eine Art von Vergewaltigung.
Das ist nicht natürlich.
Vielleicht gehörst du sogar zu jenen Menschen, die sich nicht mit ihrem Geschlecht identifizieren können oder wollen. Es ist zum Trend geworden, das eigene Geschlecht in Frage zu stellen und sich neu zu definieren, oftmals durch Hormonbehandlungen und Operationen. Aber anstatt das eigene Geschlecht in Frage zu stellen, wäre es vielleicht sinnvoller, die Vorbilder in Frage zu stellen, mit denen du dich nicht identifizieren kannst. Denn die Rollen und Verhaltensmuster, in welche Frauen und Männer geschlüpft sind, sind zum großen Teil nicht natürlich.
Natürlich sein wurde dir nicht beigebracht.
Du hast verlernt, auf deine Gefühle zu achten. Weil dir niemand beigebracht hat, dass deine Gefühle willkommen und mit deinem Herzen verbunden sind und dass dein Herz mit der Quelle deiner Intuition verbunden ist.
Es hat dir niemand beigebracht, dass du auf alle Fragen deines Lebens eine Antwort in deinem Inneren bekommst. Denn niemand hat dir gezeigt, wie du dein Inneres wahrnehmen kannst.
Die Natur in uns selbst.
Ich habe in diesem Text bewusst ein wenig übertrieben mit meinen Beispielen. Aber ich möchte aufzeigen, dass sich die moderne Menschheit längst von ihrer eigenen Natur abgewandt hat.
Darum glauben ja auch so viele Leute, die Natur sei etwas, das außerhalb des Menschen sei. Man spricht davon, „raus in die Natur“ zu gehen.
Doch wir sind Teil der Natur. So wie jedes Lebewesen haben auch wir Menschen alle Informationen, die wir zum Leben brauchen, in uns gespeichert.
Tiere haben einen Instinkt, der sie durchs Leben führt. Menschen verfügen über Intuition. Beides ist das innere Wissen darüber, was richtig und der eigenen Natur entsprechend ist. Aber wir sind die einzige Spezies, die verlernt hat, darauf zu achten.
Wir sind die Einzigen, die die Güter der Erde im großen Stil hamstern, ausbeuten und zerstören.
Wir sind die Einzigen, die nicht auf die eigene Intuition achten.
Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie unnatürlich die Menschheit geworden ist, und viele Worte, dies zu beschreiben.
Aber es braucht nur wenige Worte, um zu sagen, was natürlich ist!
Was ist natürlich sein?
Natürlich wäre, wenn deine Arbeit ein Ausdruck deiner Fähigkeiten und Freude ist. Das ist ein natürliches Bedürfnis, denn es liegt in der Natur des Menschen, anstatt nur das Überleben zu sichern, sich schöpferisch zu betätigen. Sei das im Bereich der Pflanzen, der Tiere oder der Menschen, sei es in Kunst, Musik, Kochen oder Handwerk – es spielt keine Rolle. Die Hauptsache dabei ist, dass du kreativ sein kannst. Dass du deiner Eingebung, deiner Fantasie, deinen Ideen folgen kannst für das, was dich begeistert. Lebst du also deiner Natur entsprechend, dann lebst du natürlich. Und das ist stets individuell! Weil niemand so sein kann wie du und es in deiner Natur liegt, dich und dein Potenzial auszuleben.
- Natürlich sein heißt, deine eigenen Gefühle zu erlauben.
- Natürlich sein heißt, deine echten Bedürfnisse zu stillen.
- Natürlich sein heißt, aufgrund deiner Intuition zu handeln.
- Natürlich sein heißt, nur so viel zu nehmen, wie du brauchst.
- Natürlich sein heißt, das zu tun, was dir guttut.
- Natürlich sein heißt, das zu vermeiden, was dir schadet.
- Natürlich sein heißt, dich nicht manipulieren zu lassen.
- Natürlich sein heißt, dich am Leben zu erfreuen.
- Natürlich sein heißt, zu lieben.
Ein Mensch, der seiner Natur entsprechend lebt, ist ein fröhlicher, authentischer Mensch, der sein Leben zu schätzen weiß.


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