„Das ist eine Leistung!“, sagte bewundernd ein Bekannter zu unserem 40-jährigen Ehejubiläum.
„Nein, keine Leistung“, lächelte ich, „wir haben uns einfach nicht getrennt.“
„Eben“, meinte er, „das kriegen heutzutage wenige hin.“

Nun ja, das mag stimmen. Es ist heute schon fast normal, dass man seinen Partner nach einigen Jahren verlässt, und viele Ehen sind bereits die zweiten oder dritten.

Aber warum trennt man sich überhaupt?

„Weil die Liebe verschwunden ist“, sagen viele. „Weil wir uns nicht mehr verstehen“, „weil wir uns auseinandergelebt haben“, „weil ich betrogen worden bin“ – es gäbe noch viele Gründe, die diese Liste ergänzen.

Wenn ich das höre, werde ich immer skeptisch.
Ich frage mich: Was war der Grund, sich für ein Zusammenleben zu entscheiden?
Aus meiner Sicht liegt das daran, dass das Glück beim Partner gesucht wird.

Es sind tief eingeprägte Ideen darüber, dass uns jemand glücklich machen kann und dass man diesen Jemand einfach finden muss. Klappt es mit dem Glücklichsein nicht, dann glaubt man, den falschen Partner erwischt zu haben, und trennt sich.

Es sind die großen Illusionen über die Liebe, was sie ist und sein soll, die uns irreführen.

Denn die größte Illusion ist die, dass wir Liebe von außen beziehen.

Auch ich ging solchen Illusionen auf den Leim. Wie sehr hatte ich mich in jungen Jahren doch öfter verliebt und war jedes Mal davon überzeugt, jetzt „den Richtigen“ gefunden zu haben, um dann ein paar Monate oder ein paar Jahre später zu merken, dass ich mich getäuscht hatte. Und jedes Mal fiel ich in den dunklen Abgrund des Leidens, bis…

Bis ich mitten in meinem Schmerz ganz klar den Satz in mir vernahm: „Ich habe immer noch mich selbst.“

Wie ein Lichtstrahl durchfuhr mich diese Erkenntnis, breitete sich aus und ich konnte wieder frei atmen. Zum ersten Mal spürte ich diese unermessliche Kraft und Liebe, die sich in mir auftat und mich völlig überwältigte. Wo vorher Schmerz und Leid waren, entstanden Friede, Freiheit und Helligkeit.

Aus dieser unmittelbaren Begegnung mit meinem „Inneren Wesen“, wie ich es nenne, entstand im Laufe der Jahre eine stabile Beziehung. Ich wurde mir darüber bewusst, dass mein bester Freund, mein bester Schutz und alles, was ich wirklich brauchte, in meinem Inneren vorhanden war: klar, zuverlässig und bedingungslos. Und langsam aber stetig begann ich zu begreifen, dass mein Glücklichsein nicht abhängig ist von einem Partner.

Als ich dann schließlich im Alter von 37 Jahren, nach einigen abgebrochenen Beziehungen, unverhofft auf meinen jetzigen Ehemann traf, war alles anders als bisher.  Als wir uns begegneten, war es tatsächlich diese vielbeschriebene „Liebe auf den ersten Blick“. Oder vielmehr eine für mich überrumpelnde Gewissheit im Herzen, die mein Verstand zwar anfangs nicht wahrhaben wollte. Es fühlte sich an, als wären unsere Herzen durch Magnete miteinander verbunden, die stärker waren als alle damit aufkommenden Ängste und Zweifel. Und dieser Kraft aus unseren Herzen konnten wir beide nicht widerstehen!

„Es geht viel zu schnell“, sagte die Vernunft. Und „es geht schnell, wenn es stimmt“, sagte damals mein Mann.

Wir waren vom ersten Tag an zusammen… und daraus sind nun vierzig Jahre geworden!

Nein, es war keine dieser rührseligen Filmromanzen, und es gab zum Teil heftige Gewitter zwischen uns und Momente, in denen Davonlaufen verführerisch klang, aber dennoch keine wirkliche Option war. Denn wer sich stritt und wer Schwierigkeiten hatte, das waren unsere Egos mit ihren Vorstellungen.

Aber darunter, viel mächtiger, lag und liegt der Boden der Liebe.  Es ist jener Boden, in dem unsere beiden inneren Wesen verwurzelt und miteinander verbunden sind. Und darüber sind wir beide uns bewusst.

Ist es vielleicht doch eine Leistung, vierzig Jahre zusammenzubleiben?

Nun, wenn ich die Arbeit an mir selbst meine, dann ja. Es gibt viele Leute, die sagen, an einer Beziehung müsse man arbeiten. Dem stimme ich nicht zu.

Ich bin überzeugt davon, dass es Arbeit an sich selbst braucht. Arbeit daran, nicht den Glaubenssätzen, Wünschen, Vorstellungen und Urteilen des Verstandes zu vertrauen. Arbeit daran, herauszufinden, wer ich bin und welche Prioritäten ich in diesem Leben setzen möchte.  Es ist diese Klarheit, die ich stets gesucht habe und die das Zusammenleben unwillkürlich beeinflusst und gestaltet hat.

Als wir geheiratet haben, gab es keine Versprechungen wie „bis dass der Tod uns scheidet“ und was sonst üblicherweise noch so versprochen wird.

Wir beide wussten, dass die Zukunft offen ist. Deshalb gab es nur ein wichtiges Versprechen, das wir uns gaben: „Ich verspreche dir, nicht in deinem Weg zu stehen.“

Dieses Versprechen ist meiner Meinung nach kraftvoller und wichtiger als alles andere. Denn es beinhaltet, dass wir uns gegenseitig respektieren und unterstützen. Es bedeutet, dass wir uns gegenseitig in unserem So-Sein und dem damit verbundenen Weg anerkennen und wollen nicht, dass sich der andere für unsere Erwartungen verbiegt. Wir sind zwei verschiedene Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten und Aufgaben. Je mehr wir einander helfen, dieses Potential zu entfalten und zu leben, desto tiefer erleben wir die Liebe und Freiheit. Es ist die Freiheit, dem anderen nicht gefallen zu müssen, um geliebt zu sein.

Ich sage nicht, dass das immer einfach ist, denn die uralten Muster von Angst und Kontrolle schleichen sich gerne unbemerkt ein. Dann gibt es einen Streit oder Konflikt, und wir merken wieder, welcher Teil in uns gerade am Ruder ist. Dann heißt es einfach: „Zurück ins Herz!“ und die Liebe ist wieder spürbar.

Je älter wir werden, desto seltener sind diese Entgleisungen geworden.  

Blicke ich nun zurück auf die vierzig Jahre, so kann ich zusammenfassend sagen:

Ich bin so dankbar, dass ich diese Zeit mit meinem Mann erleben durfte. Mit ihm zusammen habe ich unsere Tochter ins Leben begleitet und durfte erfahren, was es heißt, Mutter zu sein.

Mit seiner Unterstützung und Mitarbeit durfte ich meiner Berufung nachgehen, nämlich in einer eigenen Schule Menschen zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen.  Und in dieser Arbeit wiederum konnte sich mein Mann verwirklichen. 

Unsere gemeinsame Elternschaft und Berufstätigkeit sahen wir als Ausdruck unserer Liebe, denn Liebe drückt sich in Kreativität aus!

Jetzt sind wir beide pensioniert, leben bescheiden und zufrieden. Es gibt äußerlich nicht mehr so viel Gemeinsames, da jeder von uns seinen Interessen und Möglichkeiten nachgeht. Vieles unternehme ich allein, so wie auch mein Mann. Glücklich allein sein können ist eine schöne und für uns notwendige Erfahrung, denn es hat nichts mit Einsamkeit zu tun. Es gibt neue Herausforderungen, die mit dem Altwerden einhergehen und die wir eben, den Möglichkeiten entsprechend, meistern.

Was uns aber immer verbunden hat und verbindet, ist dieser Boden der Liebe, auf welchem wir wie zwei unterschiedliche Bäume miteinander verwurzelt sind, während sich die Kronen berühren, im Wind tanzen und ihren Duft verströmen.

Gibt es also ein Geheimnis für eine glückliche, langjährige Ehe?

Nein, ein Geheimnis nicht, aber Tatsachen, die sie ermöglichten:

  • Wir hören die Stimme des Herzens und gehorchen ihr.
  • Wir stehen uns nicht im Weg.
  • Wir hatten gemeinsame Aufgaben.
  • Wir respektieren die Entscheidungen des anderen.
  • Jeder von uns kann allein sein, ohne sich einsam zu fühlen.
  • Wir vertrauen, dass im Leben alles so läuft, wie es richtig ist.
  • Wir sind in der Liebe geborgen und miteinander verbunden.

Wenn das, was ich hier geschrieben habe, dir, liebe Leserin, lieber Leser, hilft, Klarheit für deine Beziehung zu bekommen, freut es mich sehr! Denk daran, es geht um die Liebe, die du in dir selbst findest. Ob sie dich in eine Partnerschaft führt oder nicht, ist nicht so entscheidend, denn es gibt viele Möglichkeiten, wie sie sich ausdrücken kann!


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