Grauer Vorhang

Grauer Vorhang

Grauer Vorhang

Der Himmel ist seit Wochen grau. Wie ein dichter Vorhang verbirgt er die Sicht auf das, was sich dahinter geschieht.

Ein grauer Vorhang, der das Licht der Sonne versteckt.
Ein grauer Vorhang, der das Düstere in dieser Welt symbolisiert.

Viele Menschen reagieren darauf mit Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und Depression. Sie fühlen sich eingeengt und bedrückt.

Ich sehe das etwas anders.

Ich sehe, wie dieses graue Wetter uns herausfordert, unseren Fokus zu verlagern, im Hier und Jetzt zu bleiben. Denn wir können nicht in die Ferne blicken, können nichts klar erkennen. Alles, was wir hinter dem Vorhang vermuten, sind eben Gedanken, Wünsche, Illusionen. Was aber jetzt ist, ist das, was augenblicklich hier geschieht.

Ich blicke aus dem Fenster auf die kahlen Bäume, die sich als dunkle Linien vom grauen Horizont abheben. Schlafen sie? Oder sind sie sich bewusst darüber, was in ihrem Inneren geschieht? Sie sind damit beschäftigt, das neue Leben vorzubereiten, und unweigerlich bahnen sich die Knospen einen Weg durch die Äste. 

Verschiedene Vögel zeigen sich auf dem Balkon am Futterhäuschen, und während sie mit größter Umsicht ein paar Körner aufpicken, erfreue ich mich an diesen Gästen. Sie wären nicht hier, wenn es warm und sonnig wäre…

Ich überlege, welche Arbeiten anstehen und erledige jene, die ans Haus gebunden sind. Liegengebliebenes wird aufgearbeitet, sowohl im Äußeren als auch in meinem Inneren. Denn das, was nicht mehr nützlich und hilfreich ist, kann ich jetzt verabschieden. Ich nutze diese düstere Zeit, um Raum und Klarheit zu schaffen, außen und innen. Das fühlt sich so gut an!

Denn auch das geht vorüber.

Irgendwann wird es wieder wärmer werden, vielleicht wieder heiß und trocken. Neue Herausforderungen werden kommen und gehen.

So sehe ich auch die düstere momentane Entwicklung auf der internationalen Weltbühne als etwas, das sich im Moment so zeigt, aber nicht von Dauer sein wird. Denn nichts ist von Dauer.

Warum also bedrückt und freudlos alles aufnehmen und sich ängstigen, was gerade geschieht?

Ist es nicht viel sinnvoller, alles, was wir erleben, als Herausforderung zu nehmen? Herausforderung, uns vom äußeren Geschehen nicht herunterziehen zu lassen, sondern in unserer inneren Mitte zu bleiben. Mit der Frage: „Wie betrifft mich das, was außerhalb von mir geschieht?“, kann ich viel mehr bewirken. Ich kann Klarheit darüber bekommen, wie und weshalb ich mich mit etwas identifiziere. Ich kann Erkenntnis erlangen über das, was ich im Hintergrund denke und glaube.

So wie der graue Vorhang aus Wolken und Nebel unsere Klarsicht verschleiert, so bleiben unsere Gedanken und Glaubenssätze oft lange verborgen und beeinflussen unsere Handlungen und deren Auswirkungen. Wie oft beklagen wir uns doch über Situationen, die uns missfallen, und fühlen uns ohnmächtig, etwas zu ändern. Ja, wir können oft nichts daran ändern, genauso wenig wie das graue Wetter.

Aber wir können aufhören, zu jammern, zu bedauern, uns zu ängstigen.

Wir können die düstere Zeit nutzen, um uns um unser Innenleben zu kümmern. Wir können uns Zeit nehmen, zu erspüren, was hinter den für uns unangenehmen Situationen steckt. Denn es gibt immer eine Ursache. Und diese liegt in verborgenen Gedanken und Glaubenssätzen.

Erst, wenn wir beginnen, unter gewissen Situationen zu leiden, ist die Bereitschaft groß genug, Klarheit zu bekommen. Dann drängen sich alte Strukturen, an denen wir unbewusst festgehalten haben, ans Licht. Jetzt kann ich sie erkennen. Wenn ich sie nicht mehr als nützlich und sinnvoll erachte, lasse ich sie gehen. Und dann wird es still. Und leer. Und hell.

Das Leben verändert sich. Neues Wachstum kann beginnen.

Während das geschieht, verliert das düstere gesellschaftspolitische Weltgeschehen an Interesse. Die Meinungen und Urteile von anderen Menschen verlieren an Bedeutung.  Ich erkenne sie als Ablenkung. Ablenkung vom eigentlichen Wesentlichen: Nämlich meiner Freude, meinem Wachstum!

So wie der graue Vorhang irgendwann weicht und die Sicht auf die Sonne und den blauen Himmel freigibt, so lösen sich auch problematische Situationen und Verhaltensweisen auf…

Ich habe nichts verändert.

Aber ich habe mich um das gekümmert, was am naheliegendsten ist. Ich habe die äußere Dunkelheit akzeptiert und sie als Spiegel meiner inneren Verdunkelung betrachtet und bin ihr nachgegangen. Bis zum Ursprung. Die Leichtigkeit und Freude, die sich dahinter versteckt haben, breitet sich aus! Es ist hell und warm geworden…, ganz gleich, wie es draußen aussieht.


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